Ein Bericht in vier Kapiteln
Von Hermann Frisch
Naturschutzwart der Ortsgrupe Weinsberg
Kapitel 1:
Der Grünstreifen im Park unterhalb des Hirschberges – Im Winter planen und bestellen, im Frühjahr säen
Das Sterben der Insekten hat langfristig eine verheerende Auswirkung auf die Umwelt und somit auch auf künftige Generationen. Die Ursachen sind vielfältig. Gründe dafür sind Flächenverbrauch für Siedlung, Industrie und Freizeitaktivitäten.
So sind nie dagewesene heiße Sommer, eingeschleppte oder eingewanderte Räuber, wie Asiatischer Marienkäfer oder die Gallische Feldwespe, oder die an den 50 Millionen Autoscheiben zerplatzten Insekten, weitere Ursachen. Ebenso der steigende CO2 Gehalt der Atmosphäre erschwert die Hautatmung der Insekten und die hohen Temperaturen lassen Eier und Larven vertrocknen. Auch fehlt es durch zu frühes und zu häufiges Mähen an Nahrungspflanzen für Raupen und adulte Tiere. Ein Großteil der Insekten ist auf eine oder wenige Wildpflanzen spezialisiert. Aber wir reagieren nicht, der Schuldige ist ja schon gefunden – die Intensive Landwirtschaft. Unsere Nahrungsmittel sind heute so gesund wie noch nie. Niemand stirbt mehr an Fusarium oder Mutterkornvergiftungen oder an Vergiftungen durch Samen von Kornrade oder Osterluzei und anderen Ackerunkräutern.
Um dem Insektensterben entgegen zu wirken, hat der Schwäbische Albverein in Absprache mit dem städtischen Bauhof hinter der Mühlrainturnhalle einen Blühstreifen ausgesät. Da die meisten Blühstreifen eher in eine Bundesgartenschau gehören und für die Insektenwelt nur eine marginale Auswirkung haben, haben wir bewusst nur einheimische Pflanzen ausgewählt.
Nach Anlaufschwierigkeiten konnte nun im Sommer 2021 eine Bonitur durchgeführt werden. Auf dem 1 Meter breiten und ca. 25 m langem Streifen konnten 46 Wildpflanzen erfasst werden. Als Vergleich habe ich an der ganzen Burgruine Weibertreu ca. 160 verschiedene Arten erfasst, auf den Wiesen im Stadtseetal oder Weinsbergs Wälder wesentlich weniger.
Diese Pflanzen werden nun in Folge nach Art, Familie, Vorkommen in Deutschland und Nutzpflanzen aus dieser Familie, vorgestellt.
Art | Familie | Vorkommen | Nutzpflanzen |
Wilde Möhre | Apiaceae | 69 Arten in D. | Gelbe Rübe Pastinake, Dill Petersilie, aber auch der hochgiftige gefleckte Schierling |
Die Doldenblütler sind Raupennahrung für viele Schmetterlingsarten, auch für den markantesten in Deutschland vorkommenden Schwalbenschwanz. Die Blüten werden im Sommer von Schmetterlingen, Raupenfliegen, Schwebfliegen und Wildbienen besucht. Stehengelassen Blütenstände bieten im Winter Samen für dagebliebene Vögel.
Echter Nelkenwurz Kriechendes Finger-kraut | Rosaceae | 154 Arten in D. | Birne, Apfel, Quitte, Pfirsich, Kirsche, Zwetschge Aprikose, Brombeere, Himbeere Erdbeere |
Kapitel 2:
Blühstreifen hinter der Mühlrainturnhalle
Im ersten Teil habe ich von über 40 natürlichen Pflanzen im Weinsberger Blühstreifen berichtet und Kritik an den meisten anderen Blühstreifen geübt. Dies soll natürlich auch begründet werden. Diese Einsaatmischungen enthalten fast nur einjährige, in der Natur nicht vorkommenden Pflanzen.
Sie sind aber auf Effekt ausgewählt und da sie nach einem Jahr wieder umgebrochen werden, eher kontraproduktiv. Sie sind Nahrung vor allem für die Honigbiene (Phacelia, Sonnenblumen, Lein, Sommerraps, Borretsch, Kornrade u.a.), nicht aber für die einheimischen Schmetterlinge oder spezialisierte Wildbienen. Sollten überwinternde Larven von Schmetterlingen oder anderen Insekten an den Stängeln sitzen, werden sie spätestens im nächsten Frühjahr untergefräst.
Weiterführung der Artenliste des Blühstreifens nach Art, Familie, Vorkommen in Deutschland und Nutzpflanzen
Art | Familie | Vorkommen | Nutzpflanzen |
Mehlige Königs-kerze Spitzwegerich | plantagina-ceae | 2000 Arten weltweit | Als Nahrungspflanzen keine. Als Heilpflanzen viele,z.B Fingerhut, Spitzwegerich |
Durch molekularbiologische Untersuchungen wurden die meisten Pflanzen der Braunwurzgewächse (scophulariaceae) in den letzten Jahren den Wegerichgewächsen zugeordnet. Verblieben ist die allseitsbekannte Budleia (Sommerflieder). Diese hat, obwohl ein Neophyt, als Schmetterlingsnahrungspflanze seine Berechtigung.
Ackerwinde |
convolvula-ceae | V.a. in den Tropen | Süsskartoffel, Batate |
Durch den Klimawandel gibt es erste Anbauversuche in Deutschland. Die Blüten der Ackerwinde sind leicht rosa oder lila eingefärbt, die der Zaunwinde sind größer und reinweiß. Die Blütenkelche werden oft als Schlafplatz von Wildbienen genutzt.
Wiesensalbei Efeu- gundermann | lamiaceae | 72 in D, 7000 weltweit |
Heilpflanzen |
Die Familie der Lippenblütengewächse enthält sehr viele Heil und Gewürzpflanzen. Hierzu gehören Salbei, Rosmarin, Dost, Wilder Majoran, Pfefferminze, Zitronenmelisse, Thymian, Bohnenkraut, Basilikum und Lavendel. Die Rote Taubnessel blüht sogar in milden Wintern und ist vor allem in den Weinbergen sehr häufig und gibt erste Nahrung für Wildbienen. Die verschiedenen Arten werden von verschiedenen Insekten beflogen und haben unterschiedlich lange Staubbeutel. Durch das Gewicht der Biene wird der Staubbeutel nach unten geklappt und der Pollen auf dem Rücken abgelegt und zu nächsten Blüte transportiert.
Wiesenwucher- blume Schafgarbe Kratzdistel Wiesenpipau Habichtskraut Löwenzahn Flockenblume Wegdistel Kohldistel Gänseblümchen |
compositae, asteracae, cichoriaceae | 250 Arten in D | Sonnenblume, Salat, Artischocke, Topinambur, Zichorie |
Die Korbblütengewächse haben meist Röhrenblüten und Zungenblüten. Es gibt auch Arten, die nur eine Blütenform enthalten. Am Beispiel der bekannten Sonnenblume lässt sich die Blüte erklären. Im Innern der Blüte sind viele 100 Röhrenblüten, am Rand ein paar Reihen Zungenblüten und die gelben Blätter am Rand gehören nicht zur Blüte, sondern sind Blätter eines gestauchten Triebes. Sie täuschen, zum Anlocken von Bestäubern, eine große Blüte mit reichem Pollen und Nektarangebot vor. Aus der Wurzel der Zichorie (Wegwarte) wird Ersatzkaffee hergestellt. Die Blütenköpfe der Disteln sind ganz wichtige Nahrungspflanzen von allerarten Schmetterlingen und Bienen.
Kapitel 3
Warum noch Blumen pressen
Warum noch Blumen pressen – Pflanzenkenner sterben aus und mit ihnen entsteht ein riesiger Wissensverlust. Veränderte Lehrpläne, der demographische Wandel und mangelnde Arbeitsplätze sind Ursachen. Uns wurde noch vom Grundschullehrer die Pflanzen an der Burgruine Weibertreu gezeigt. Der orangene Milchsaft des Schöllkrautes, die gelbe Röhre mit der die Osterluzei Bestäuber festhält, sind noch nach fast 60 Jahren in Erinnerung.
Ausgebildete Biologen kennen zwar die Gensequenzen des Ackerschmalwandes, wissen aber nicht wie er aussieht, geschweige denn zu welcher Familie er gehört. Es folgen weitere Pflanzen des Weinsberger Blühstreifens.
Art | Familie | Vorkommen | Nutzpflanzen |
Blauer Natternkopf Borretsch | boraginaceae | 2700 Arten weltweit | In gemäßigten Breiten ist Borretsch als Gewürz in Verwendung |
Der Blaue Natternkopf wird das ganze Jahr sehr stark von allerlei Bienen beflogen. An der Weibertreu kommen aus dieser Familie neben Vergissmeinicht noch der Ackersteinsame vor.
Klatschmohn | papavera- ceae |
230 Arten weltweit | Wichtigste Nutzpflanze ist der Schlaf- und Saatmohn |
Weiße Lichtnelke | caryophylla-ceae | 2700 Arten weltweit | Sehr viele Zierpflanzen |
Die Kornrade war früher ein sehr weit verbreitetes Getreideunkraut mit hochgiftigen Samen, an welchen Menschen gestorben sind. Weitere Arten der Nelkengewächse sind in unseren Weinbergen verbreitet.
Bunte Kornwicke Zaunwicke Weißklee Wiesenklee Steinklee Inkarnatklee Luzerne Hornschotenklee | fabaceae | 89 Arten in D | Erdnuss, Gartenbohne, Erbse, Linse, Lupine *) |
*) Weitere Pflanzen aus dieser Familie die in Gärten häufig angepflanzten Sträucher Blasenstrauch, der hochgiftige Goldregen und der Blauregen. Als Waldbaum der Zukunft ist die extrem trockenresistente Robinie angedacht.
Die Blüte der Schmetterlingsblütler erinnern an einen Schmetterling. Sie bestehen aus fünf Kronblättern, die sich im Laufe der Evolution oben zur Fahne, zwei Flügeln und am unteren Ende das aus zwei Blütenblättern verwachsene Schiffchen gebildet haben. Diese Entwicklung der Blüte lief parallel zur Entwicklung der diese Blüten bestäubenden Insekten. So findet man an den schweren Blüten des Blauregens Hummeln und neuerdings auch die schwarzblaue, große Holzbiene. Diese Familie hat eine Besonderheit, die für die Ernährung der Menschen ganz wichtig ist. Der eiweißhaltige Samen ist vor allem für die fleischlose Ernährung lebensnotwendig. Die Fabaceae ( Leguminosen) können in Symbiose mit Knöllchenbakterien im Boden Luftstickstoff binden. Stickstoff ist der Wachstumsmotor der Pflanzen, weshalb in der Landwirtschaft, Gartenbau und Weinbau, Klee, Wicken u.a. als Zwischenfrüchte angebaut werden. Auch im Hausgarten sollte auf einem abgeernteten Beet oder als Fruchtfolge eine Leguminose ausgesät werden.
Krausser Ampfer | polygona- ceae |
1200 Arten weltweit | Rhabarber, Buchweizen |
Zur Familie der Knöterichgewächse gehört der invasive japanische Staudenknöterich. In Regionen der Erde, in welchen das Getreide auf Grund der Vegetationszeit nicht reift, wird Buchweizen zu einem leckeren Brot gebacken.
Zypressenwolfs-milch | euphobia- ceae |
216 Arten weltweit | Viele Zier- und Zimmerpflanzen |
Die Wolfsmilchsgewächse führen einen die Haut reizenden Milchsaft.
Kapitel 4
Weitere Pflanzen des Weinsberger Blühstreifens
Eine Umfrage unter Jugendlichen hatte ergeben, dass 75 % sich Sorgen um Klimawandel und Insektensterben machen.
Der Landtag hat 2020 das Biodiversitätsstärkungsgesetz beschlossen. Hierin wurde neben dem Ausbau des Biotopverbundes, auch Artenschutz in Siedlungen festgelegt. Wünschenswert wäre eine Ausweitung des Blühstreifens und langfristig eine Vernetzung mit weiteren benachbarten Gemeinden entlang Straßen, Radwegen oder Feldwegen.
Hier ist ein großes Potential vorhanden. Nicht die Bauern an den Pranger stellen, die uns so günstig wie noch nie ernähren. So hat in den 1950er Jahren der Bürger noch 45% seines Lohnes für die Ernährung ausgegeben, heute sind es unter15 %.
Art | Familie | Vorkommen | Nutzpflanzen |
Färberwaid Hederich Hirtentäschel | brassicaceae | 102 Arten in D | Raps, Senf, sämtliche Kohlarten, Kresse, Meerrettich u.a. |
Der Färberwaidanbau brachte im Mittelalter Wohlstand in die Anbauregionen. Er wurde zum Blaufärben von Stoffen verwendet (Indigo). Der durch Milchsäuregärung haltbar gemachte Weißkohl war für die Vitamin C Versorgung der Bevölkerung wichtig, auch wurden Fässer mit Kohl auf lange Schiffsreisen zur Vorbeugung von Skorbut mitgenommen.
Scharfer Hahnenfuß |
ranuncula-ceae | 60 Arten in D | Keine, der größte Teil der Hahnenfuß- gewächse ist giftig |
Wiesenlabkraut | rubiaceae | 13000 Arten weltweit | Kaffeestrauch, früher Färbpflanzen wie Krapp |
Große Brennnessel | urticaceae | 70 Arten weltweit |
Über 50 einheimische Schetterlingsarten benötigen die Brennnessel als Raupennahrung |
Wegmalve Moschusmalve | malvaceae | 2000 Arten weltweit | Kakaobaum, Baumwolle, Okra, Baobab |
Glatthafer Mäusegerste | poaceae | 12000 Arten weltweit |
Hafer, Gerste, Roggen, Weizen, Mais, Reis, Bambus |
Die Süßgräser sind wichtige Nahrungspflanzen für Menschen und Tiere. Mit Beginn des Anbaus von Pflanzen war der Mensch gezwungen an einem Ort zu verbleiben. So kam es zur Gründung von Siedlungen und Städten (Sesshaftwerdung). Die Gräser sind die einzigen der bisher aufgeführten Pflanzen, die auf Windbestäubung angewiesen sind.
Wir bedanken uns beim städtischen Bauhof für die Schonung des Blühstreifens bei ihren regelmäßigen Mäharbeiten.